Kolumnen/Essays/Reden

Ich bin dumm vor Glück. Oft bin ich auch dumm vor Angst, dann wiederum vor Glück. In meiner Ostheimat ist man nur dann dumm vor Glück, wenn es gelingt, nicht frieren und nicht  hungern unter einen Hut zu bringen. Sozusagen Houdini zu sein und gleichzeitig zwei Hasen aus dem Hut zu ziehen. Sozusagen Sklave und Herr, Hase und Magier, tot und lebendig. Dumm vor Angst ist man eh immer. Und der einzige Ausweg ist, Emigrant zu werden, sozusagen sehnsüchtig, sozusagen ein Leben lang oder dann Emigrant zu sein, aber nach innen. Sich zusammenzufalten und wegzustecken.

In diesem Europa der Gleichen, einem mildherzigen Mickey Mouse Paradies, kenne ich einen, der in der Stadt meiner Kindheit mit 34 Jahren vor Armut alle Zähne im Mund verloren hat, am Versumpfen ist und früher mein bester Spielgefährte war. Der Mund hängt ihm schief im Gesicht. Der Mund seiner Frau ebenso und auch der Mund der Tochter, aber wegen der Milchzähne. Ein Engel ist die, als ob Licht sprechen könnte. Wenn ich sie besuche, einmal im Jahr, strahlen sie alle drei. Alle drei mit schiefen Mündern. Familienphoto.

Ich fühle soviel Wut, mein Gott, soviel Trauer, weil ich nur meine eigene Haut zu retten wusste. Weil ich es nicht besser weiss, als ihnen Jahr für Jahr zu erzählen, wie dumm vor Glück ich bin. Aber ich schätze, Mein Gott ist hier fehl am Platz, Mein Gott soll schauen, wo er sich verkriecht, damit er mir nicht den Buckel runterrutscht. Mein Gott war er nie, immer Mein Gott der anderen. Nur wenn ich dumm vor Angst bin, murmele ich manchmal Mein Gott. Jedem seine eigene Verlogenheit. Mein Gott, wie sehr ich erschrecke, wenn ich das schreibe.

Dieses Jahr habe ich meinem Freund meinen Roman gebracht und alle Stellen unterstrichen, in denen er vorkommt. Deutsch kann er nicht. Ich habe erzählt, was für einen Erfolg ich mit meiner Heimat habe. Wie gut ich sie verwertet habe. Literarisch sozusagen. Er hat erzählt, dass die Eltern bei ihnen einziehen werden, weil gemeinsam hungern lustiger sei. Die Kleine hat neben uns Phantasiespeisen gekocht und mich kosten lassen. Kinderglück. Dann habe ich ihm 100 DM gegeben und gesagt habe ich „Ich hab`s, du braucht`s.“ Er hat die Hand hingehalten. Für einen Augenblick fühlte ich mich wie Mein Gott. Das Buch hat er gestreift. Wunderzeit heisst es. Gemeint ist die, die hinter uns liegt. Die Zeit der Kindheit. Jene, die vor uns liegt, ist nicht gemeint.
  


Heimat. Diese verschlungene Vorstellung, die Intellektuelle in Europa von sich weisen, als ob Hitler ihnen immer noch im Nacken sässe. Oder die geistig beengten Väter. Dieser Gebrauchsgegenstand des Politikers Blocher und anderer geschickter Dummdenker, die uns damit geisseln, weil wir, wenn wir nicht wie sie enden wollen, heimatlos werden müssen. Wie geschickt entziehen sie uns Heimat, besetzen sie mit der eigenen Behebigkeit und verwandeln sie in einen Unort.

Durch mich hingegen geht der Strom, wenn ich mich ostwärts denke und bewege. „Ich bin wie elektrisiert“, sagte einer, als wir uns vor kurzem in unserer gemeinsamen Heimat trafen. Unsere Augen waren aufgerissen, damit möglichst viel darin Platz fand. Nun, dies könnte bloss das Schicksal zweier nostalgischen Emigranten sein, und Emigrantendenken ist immer auch nostalgisches Denken. Wenn nur nicht diese Ahnung durch mich ginge, dass es sie gibt: die konkrete, aktuelle und sinnliche Heimat.

Ich gehe mit der Heimat unbekümmert um wie ein Kind. Ich leiste mir den Luxus, die dortige Misere als die eigene zu erkennen. Die zerfurchten Gesichter der Bauern, die Landschaften, die Frauen, die mich magisch anziehen, weil sie etwas Unaussprechliches an sich haben. Die Ruhe in mir, wenn ich Heimatsprache spreche, weil ich fehlerfrei sein darf. Die Erzählkunst und Gewitztheit meiner Leute, mit oder ohne Schnapszufuhr. Ihre Zahmheit, Leidenschaft, Brutalität und Niedertracht.

Deutsche sagten mir, dass sie nicht wagen, Heimat zu denken. Als ob sie dadurch mit Hitler gemeinsame Sache machten. Siebenundfünfzig Jahre, nachdem der an Gift starb. Leider nicht an seinem eigenen. Heute noch feiert er Siege und ist nicht tot zu kriegen, weil ihm ganze Generationen weiterhin aus der Hand fressen. Weil er die Zonen des Sagbaren und des Unsagbaren bestimmt. Die Zone der Angst, man könnte auch ein Unter-Umständen-Kleinhitler sein. Wer könnte es von vornherein ausschliessen? Ich nicht.

Mir sagen welche, junge, dass auch das Kaffeehaus oder das Kino Heimat sein können. Unfug. Solche Orte waren immer Heimat für Heimatlose. Verlorene, Suchende, Exilierte. Ein verdünnter Ersatz. Ich weiss es: ich habe die eine Hälfte meines Lebens im Kino und die andere im Kaffeehaus verbracht. In Zürich. In Lokalen wie Auffangbecken für billige Existenzen. Alles brave Menschen, aber hinter der Schminke bereits das Greisenalter.

Aufgerieben zwischen den dünnen Gedanken einer gesättigten urbanen Jugend und den giftigen Gedanken chauvinistischer Geister geht die Heimat bald ein. Virtualität oder Nationalismus. Und ich? Ich gehe auf Heimatkur. Habe ich Ihnen schon erzählt, wie gerne ich meinen Landsleuten zuhöre, wenn sie mir ihre Geschichten geben. Wach, gespannt und zutiefst bewegt. Nostalgie oder Realität? Der Teufel weiss es.



Erich Fried-Symposium im Literaturhaus Wien, 2003
Beitrag zum Thema: Wo ist der Platz zum Leben
erschienen in der Broschüre: Geteilte Erinnerung / Generationen des Exils

GANOVEN DER POSTMODERNE

Mein Roman Der kurze Weg nach Hause fängt damit an, dass eine Mutter der kleinen Tochter erklärt, was Ganoven sind. Ganoven seien Menschen, die ihren Platz auf der Welt noch nicht gefunden haben, sagt sie. Das ist auch ein Kommentar zur Situation der zwei jungen Protagonisten, Luca und Ovidiu, die am Ende einer Reise angelangt sind, die sie von Zürich über Wien, Budapest, Timisoara bis an die Schwarzmeerküste Rumäniens geführt hat. Sie müssen sich fragen: Wozu das alles? Wozu die Raserei über den halben Kontinent? Wozu die Sehnsucht nach einer Heimat, die nicht mehr ist, wie man sie zurückgelassen hat, allein schon, weil man sie jetzt mit Erwachsenenaugen sieht? Wozu unruhig bleiben und suchen nach den vertrauten Gerüchen der Kindheit, nach der Melodie der heimatlichen Sprache, nach den bekannten Bewegungen und Gebärden der Menschen, nach dem Licht und der Landschaft? Und vielleicht mehr als alles andere: wozu sehnsüchtig bleiben wollen?

Denn das Leben des Emigranten, vorausgesetzt er ist empfänglich für solche Dimensionen, ist geprägt von einer Art nostalgischem Denken. Vom Wunsch, jene Kulissen aufzusuchen, die über sich hinausweisen und in eine Welt führen, in der man geborgen ist, bei den seinen, wo man verstanden wird und versteht, ohne vorher einen Sprachkurs zu absolvieren. Je früher man seine Heimat verlassen hat, desto stärker bleibt sie in der Erinnerung magisch überhöht, man weist ihr die Qualität der Heilung zu oder der Linderung jener Schmerzen, die das Exil zugefügt hat.

Das ist bis zu einem gewissen Grad auch bei mir der Fall. Ich habe Rumänien am Scheidepunkt von Kindheit und Adoleszenz verlassen. Meine Erinnerungen haben viel mit Gerüchen, Stimmungen, mit Sinnlichem zu tun. Vielleicht nur weil ich Schriftsteller bin und als solcher aufmerksam gegenüber diesen oft vernachlässigten Aspekten des Leben. Vielleicht aber auch, weil ich keine Zeit hatte, ein realistisches Bild meiner Heimat aufzubauen. Zu korrumpieren und korrupt zu werden zum Beispiel. Weil das Hässlichste in mein, von den Eltern abgeschirmtem Leben noch nicht eingedrungen war, nicht als unmittelbare Erfahrung jedenfalls, höchstens durch die Eltern vermittelt, durch ihre Kommentare und Befürchtungen.

Ich habe mich dort nicht verliebt und wurde nicht enttäuscht und getäuscht. Ich bin dort nicht verzweifelt, weil mir die Diktatur jede Möglichkeit nahm, mich als Mensch zu fühlen und dann, als die Diktatur gefallen ist, Täuschung und Lüge weiter Bestand hatten. Und ich habe dort nicht gehungert, die schlimmste Erniedrigung vielleicht, die dieses Volk neben der allgegenwärtigen Angst erdulden musste. Ich bin just vor der schlimmsten Zeit und noch ein halbes Kind weggegangen und habe meine Haut gerettet, meine Würde, das Bewusstsein, niemals geknickt worden zu sein vor einem sadistischen Milizionär oder Beamten. Herr über meine Entscheidungen zu sein.

Ist Rumänien meine Heimat? Nicht wirklich. Ich bereise es heutzutage flüchtig, zwei, drei Wochen höchstens am Stück. Mit Schweizer Pass und Euros. Wenn man im teuersten Hotel am Platz übernachten, im teuersten Restaurant sich verköstigen kann, wenn man sich nicht am Kummer, am bitteren Alltag aber auch nicht an den guten Seiten des Lebens dauerhaft beteiligt - die Betonung liegt hier auf dauerhaft -, wenn man keine Verpflichtungen eingeht, nicht die Verpflichtung der Liebe oder diejenige, etwas aufzubauen, nicht die Verpflichtung gemeinsam mit andern alles durchzustehen, ohne wahnsinnig zu werden, dann kann es nur eine eindimensionale Heimat sein.

Eine, die an die kindliche Heimat erinnert, so wie ich sie umrissen habe. Man geht dann hin, hat starke Erlebnisse, spürt Melancholie, Trauer, unsagbare Freude, isst seine Lieblingsgerichte, man schüttelt sich mit den Freuden vor Lachen, wischt sich die Tränen weg und reist wieder ab, wenn einen das Chaos über den Kopf wächst. Rumänien wird also erst dann reelle Heimat sein, vielschichtige und gelebte Heimat, wenn ich dort gründlich geliebt haben werde, getäuscht worden bin, verzweifelt bin, die Schattenseiten ertragen habe, dagegen ankämpfte aber auch die hellen Seiten kennenlernte. Vor allem aber wenn ich trotz all dem nicht davongelaufen bin, sondern am Ort blieb, als Augenzeuge meiner Heimat.

Ich sagte schon, dass ich eine sehr sinnliche, unmittelbare Wahrnehmung meiner Heimat habe. Aber diese Dimension lebt in allen fort, auch in solchen Menschen, die ihr Land als Erwachsene verlassen haben. Einer, der in Österreich lebt, erzählte mir mit glänzenden Augen, dass er sich jedes Mal wie elektrisiert fühle, wenn er zu Hause sei. Ein anderer fährt jeden Freitagabend nach der Arbeit von Wien nach Timisoara, achthundert Kilometer, und Sonntagabend wieder zurück. Auf dem Hinweg fühlt er sich wie mit Leben aufgepumpt, auf dem Rückweg wird er kurz nach der rumänisch-ungarischen Grenze schläfrig, als ob er nicht ankommen wolle.

Vielleicht zeigen diese Erlebnisse, worum es bei der Heimat gehen könnte. Es ist das Gefühl der Energetisierung, der Durchflutung mit Leben ohne Wenn und Aber, ohne sprachliche Fehler, ohne Angst vor dem Gegenüber. Man taucht in ein warmes Medium ein, wo Heilung möglich ist. Ein verlorener Teil findet zu den anderen Teilen zurück. Man fühlt sich wieder ganz. Ich möchte an dieser Stelle den Begriff des Mediums einführen. Er beschreibt diffuse, sinnliche, oft nonverbale Erfahrungen, die als Ganzes den Eindruck von etwas Altbekanntem und Vertrautem erzeugen. Einige davon habe ich schon erwähnt: die Tonalität und die Melodie der Sprache, die Gebärden und Körperhaltungen, der Geschmack der Gerichte, der Geruch. Im Zusammenspiel ergeben sie einen wichtigen Bestandteil der Heimat.

Selten aber wird diese mediale Erfahrung lange andauern. Die Realität holt einen ein, sie stellt Anforderungen und muss konkret gestaltet werden. Das Gestalten ist neben dem Medium die zweite Dimension, in der wir uns bewegen. Gestaltend wirken wir auf unsere Umwelt ein, gestaltend pflegen wir Beziehungen, gestaltend nehmen wir überhaupt Anteil am Leben rundum. Meine Vermutung ist, dass die Heimat nicht nur eine mediale Erfahrung sein kann. Sie muss auch gestaltet werden aus ihrer Aktualität heraus. Erst das Vorhandensein beider Dimensionen trägt dazu bei, dass man in seiner Heimat verwurzelt ist.

Rumänien ist somit in meinem Fall keine Heimat. Ist es die Schweiz, wo ich seit zweiundzwanzig Jahren lebe, interessiert an gesellschaftlichen Prozessen teilnehme, die sozialen Codes kenne, Schweizerdeutsch spreche, Schweizer Freunde habe und nicht zuletzt, wo ich mein Publikum und meine literarische Sprache, das Deutsch, gefunden habe? Nein, sie ist es auch nicht.

So wenig wie meine Rumänienerfahrung in der erwachsenen Gestaltung der aktuellen Heimat verwurzelt ist, so wenig stützt sich die Schweizerfahrung auf eine sinnliche Unmittelbarkeit. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Vor kurzem wurde in der Schweiz ein Film über das Leben einer Sängerlegende, Mani Matter, gezeigt. Seine Lieder sind jedem Kind bekannt. Die Menschen gingen ins Kino, liessen sich von Mani Matter zurück in die Magie ihrer Kindheit führen, in jenes Medium, von dem ich bereits sprach, und kamen dann mit einem verschmitzten Lächeln und Funkeln in den Augen wieder heraus.

Ich hingegen konnte bloss bittertraurig feststellen, dass es eine Dimension war, zu der ich keinen emotionellen Zugang hatte und die ich mit keinen Erinnerungen verband. Sie trennte mich unwiderruflich von meinen Freunden, ganz einfach, weil ich in der Schweiz nicht Kind gewesen bin. Wobei es klar sein sollte, dass Mani Matter nur stellvertretend für alle möglichen Früherfahrungen des Menschen steht. Ich aber gerate ins Schwärmen bei rumänischen Balladen, Volksliedern, Trink- und Festmusik, wie man sie nennt. Darüber hinaus meine ich sogar Stimmen als heimatlich zu erkennen, und vieles mehr. Ja, man kann sagen, dass der letzte Hurensohn in Rumänien mir mehr Heimatgefühl vermittelt durch seine Ausdrücke, seine Gebärden und seine Aussprache als der geliebte Mani Matter der Schweizer.

Ich bewege mich zwischen den Schweizern, und ihre Körper und die Art, wie sie sie einsetzen, sind mir fremd und meiner befremdet mich noch mehr. Ich rede Deutsch und fühle mich nicht real. Wenn ich aber Rumänisch rede, fühle ich mich geerdet. Ich spreche Schweizerdeutsch oft mit dem Pathos, der Tonalität und dem Rhythmus meiner Herkunft. Die protestantische Kargheit und Kontrolliertheit kenne ich nur durch die Beobachtungen meiner Umgebung, aber ich verbiete mir zuviel Expressivität, um nicht stärker aufzufallen als nötig. Das gelingt aber nicht immer. Ich begegne oft Menschen mit maximaler Intensität, während die Regeln hier besagen, dass Beziehungen und Freundschaften sich langsam und verhalten anbahnen müssen – eine besondere Eigenschaft alpenländischer, nordischer Kulturen, aber auch eine Folge der starken Individualisierung in der modernen Industriegesellschaft.

Wobei zu sagen ist, dass die Intensität Rumäniens und anderer eher balkanischer oder mediterraner, romanischer Kulturen schnell in Chaos überschwappen kann. Es sind dies Kulturen, die noch stark in der Agrarwirtschaft verhaftet sind. Da ist das Dorfleben zentral und dadurch ein bildhaftes, plastisches Denken mehr als ein logisch-lineares. Die wohltuende Nähe und Emotionalität führen zur Ueberhitzung und Exzessen wie Alkoholismus oder Gewalt. Der Bürgersinn fehlt oft. Das Märchen, das Fabulieren, der Aberglaube, die Folklore haben einen besonderen Stellenwert. Ich will nicht sagen, dass es keine modernen Strömungen gibt, sondern dass die genannten Aspekte weiterhin stark Denk- und Verhaltensmuster und Erwartungen prägen.

Trotzdem ist Rumänien nicht ganz Heimat, denn dafür fehlt die gestaltende Dimension. Die Schweiz ist es auch nicht, weil die sinnliche Dimension fehlt. Kann man sich unter solchen Umständen Heimat erarbeiten? Ich vermute, dass man sich unter der Preisgabe einer der zwei Dimensionen bestenfalls in ein neues Zuhause einrichtet. Man kann als Oesterreicher sich Italien als Wahlheimat aussuchen, an der Bar gebrochen Italienisch sprechen, ein Haus kaufen und somit versuchen, in das mediale Italien – was wir italianità nennen – einzutauchen. Es wird schwierig werden. Es fehlen die sinnlichen frühen Erfahrungen, die Körperlichkeit eines Italieners zum Beispiel. Man wird sich aber mit der Zeit immer weniger als Gast fühlen und etwas mehr zu Hause.

Oder man kann auch als osteuropäische Frau dem westeuropäischen Mann in dessen Heimat folgen – was mittlerweile ein soziales Phänomen von beachtlichem Ausmass ist -, ihm Kinder gebären und eine gute Ehefrau sein und nach einiger Zeit merken, dass man im neuen Zuhause etwas Sinnvolles tun möchte. Ich kenne solche Rumäninnen, die nach der ersten Zeit des Glücks, dem Elend entkommen zu sein, eine sinnvolle Aufgabe suchen. Sie wollen mitgestalten. Sie wollen einen neuen Beruf erlernen, einen Arbeitsplatz finden, Menschen kennenlernen und somit an diesem Zuhause partizipieren. Haben sie dadurch auch eine Heimat gefunden? Kaum. Wenn sie Glück haben, werden sie durch ihre eigenen Kinder etwas von der Sinnlichkeit dieses Zuhause erfahren, von den Stimmungen und Ahnungen, von den Märchen und den Liedern. Von Mani Matter. Aber sie werden weiterhin Jahr für Jahr für einige Wochen in die östliche Heimat zurückfahren.

Könnte ich umgekehrt nach Rumänien auswandern und ein ganzer Rumäne werden? Nein. Nur unter der Preisgabe dessen, was ich hier im Westen geworden bin.

Ein vorläufiges Fazit: Man darf die Heimat - wenn es so etwas überhaupt gibt und nicht erst durch das nostalgische Denken des Emigranten oder durch den Nationalisten erfunden wurde -, weder nostalgisch überhöhen noch deklassieren, indem man sagt: die Heimat ist dort, wo man sich gut fühlt, oder wo die Freude sind, oder wo man die Sprache spricht. Eine bekannte Schweizer Schriftstellerin fand sogar, sie könne mit dem Begriff der Heimat nichts anfangen und ihre Freundschaften pflege sie im Internet. Das alles sind Verkürzungen des Begriffs der Heimat. Man sollte dann fairerweise deklarieren, dass man nur willig und fähig ist, alleine diese Aspekte der Heimat zu würdigen. Auch darf die Heimat nicht mit dem Vaterland oder dem Zuhause verwechselt werden. Ich glaube, wie ich auszuführen versuchte, dass Heimat etwas zu tun hat mit einer medialen und einer gestaltenden Erfahrung.

Ich komme nun zum letzten, aber für mich vielleicht wichtigsten Punkt: dem Platz im Leben in der Postmoderne allgemein, jenseits der Emigrantenschicksale. Das betrifft jeden, weil er an einem Wirtschaftssystem teilnimmt, dass uns alle nach und nach entwurzelt. Man nennt es nur anders: Flexibilität und Mobilität. Die kapitalistischen Entwicklungen der Postmoderne – nicht anders als in den Anfängen aber sozial etwas abgefederter, d.h. weniger offensichtlich – brauchen den Menschen in seiner Funktion.

Will man erfolgreich sein, muss man heute in Wien, morgen schon in Hong Kong einsetzbar sein und unzählige Ueberstunden machen. Will man erfolgreich sein, snifft man Kokain oder schluckt Pillen, um alles durchzustehen. Man nimmt Einsamkeit in Kauf, besucht den Therapeuten, lässt saufend die Sau raus am Wochenende, lebt portioniert und auf Sparflamme. Man macht aus sich und seinem Körper Artikel, die man verkauft, besucht psychologische, esoterische Veranstaltungen, liesst die einschlägige Literatur, sucht sehnsüchtig Bars auf, zahlt vor allem und füttert so einen erfolgreichen Zweig des Systems: die Industrie des Glücks.

Was ich damit sagen will, ist folgendes: Die Chancen in der Postmoderne sind gross, man kann sich entwickeln, eine Person werden. Aber die Gefahren sind gewaltig: man wird entweder gehetzt, erschöpft und einsam oder dann zynisch, ignorant, und dadurch zur gewinnmaximierenden Fratze des Systems. Dieses System ist so erfolgreich, dass es niemanden einzuschüchtern braucht. Der Sozialismus hingegen traute seiner Ueberzeugungskraft nicht und überwachte die Menschen. Dieses System kann davon ausgehen, dass der Mensch von sich aus gehorcht, oder mit ein bisschen Werbung oder einer kleinen Drohung des Arbeitsplatzverlustes. Es will des Menschen bester Freund sein, aber es entwurzelt ihn auf vielfältiger und vielschichtiger Art und Weise.

Was kann also dieses Symposium Menschen geben, die niemals emigriert sind, aber gemeinsam mit den Emigranten in unseren Zeiten leben? Die spüren, dass etwas in ihrem Leben nicht stimmt, dass das nicht alles sein kann. Denn ich befürchte, dass nur sie noch ein offenes Ohr haben für so altmodische Themen wie Der Platz zum Leben. Für alle anderen, die sich schon verloren haben, die Tiefe und Wachheit für eine Hand voller Illusionen aufgegeben haben, ist dieses Thema schlicht obsolet. Man ist das Klicken, mit dem man sich im Netz bewegt. Man ist die Erregung, die man hat, wenn man eine neue Frau konsumiert. Man ist der Erfolg, den man hat. Obwohl man gerade diese Menschen nicht verloren geben, sondern wieder als Gesprächspartner gewinnen sollte.

Sie sehen schon: Wenn man mich nur als Emigrant wahrnimmt, und mich nur dazu etwas sagen lässt, neutralisiert man mich. Man darf sich zurücklehnen und meinen, man sei nicht betroffen. Wenn man mich hingegen sein lässt, was ich bin, Rumäne und Schweizer, Ost- und Westeuropäer, modern und altmodisch, dann lässt man zu, dass ich mich entfalten kann und Wirkung erziele. Wenn ich darüber hinaus nicht nur als Ost- oder Westeuropäer verzweifeln, lieben, trauern, lebendig sein darf, sondern als ganzer Mensch, dann fühle ich mich am wohlsten. Wenn man akzeptiert, dass ich wandere, mal hier, mal drüben, und aus der Tiefe meiner Menschlichkeit darüber berichte, dann bin ich als Schriftsteller dort angelangt, wo ich sein möchte. Es ist vielleicht kein wirklich existierender Ort, aber das Beste, was einer wie ich haben kann.

Ich diesem Sinne wünsche ich meinen Leserinnen und Lesern den Mut, gründlich zu verzweifeln, zu lieben, zu trauern, sich zu verlieren und wiederzufinden, angesichts der Schönheit des Lebens zu staunen und ihre Hässlichkeit zu bekämpfen. Im Wissen darum, dass wir, wenn wir durch das alles hindurch sind, nicht den Platz im Leben gefunden haben, aber viele Wege dorthin gegangen sind. Und dass es sich alles in allem gelohnt hat.
 
Copyright Catalin Dorian Florescu


Erster Essay für das Badische Tagblatt, November 2010

(geschrieben als Stadtschreiber von Baden-Baden)

Der Zauberer von Ooz

 Liebe Badener, die Karawane der Literatur, der Zirkus des Wortes, die Magie der Sprache sind in der Stadt eingetroffen, und ich bin ihre einzige Attraktion. Keine Zaren, Kaiser oder Staatspräsidenten, mit denen sich die Stadt so rühmt. Für einmal nicht. Für einmal nur ein gewöhnlicher 43-jähriger Mann, Schweizer doch von rumänischer Geburt, Rumäne mit Schweizer Pass und Vergangenheit. Diesmal habt ihr nicht nur die toten Rumänen unter euch, wie in der Stourdza-Kapelle, sondern einen Quicklebendigen.

Wobei: So klar ist es nicht, was ich genau bin. Ich habe 15 Jahre in Rumänien gelebt - die Kindheit, die, auch wenn sie kommunistisch war, ich nicht missen will - und die nächsten 28 in der Schweiz. Ost und West verwischen sich in mir und ergeben etwas Drittes, was immer wieder in Richtung meiner Sehnsucht kippt. Mal Richtung Osten, dann wieder zurück in den Westen. Nur das Exil wirkt fortwährend, sucht sich das Zuhause in der Sprache, im Unterwegssein, in den Begegnungen, wenn schon ein klar umrissener Ort als solches nicht mehr denkbar ist.

Und nun - 10 Jahre, nachdem das Geschichtenkarussell mit meinem ersten Roman Wunderzeit sich zu drehen angefangen hat und nach drei weiteren Romanen - Der kurze Weg nach Hause, Der blinde Masseur und Zaira - mache ich Halt in Baden-Baden als Stadtschreiber. Ein wenig müde, aber noch voller Kraft, ein wenig ernüchtert, aber noch voller Idealismus. Die Thermalbäder werden sich zu bewähren haben. Sechs Monate: zu kurz, um wirklich einer von euch zu werden, aber lange genug, um ein Blick hinter die Kulissen zu wagen. Um mehr als ein Tourist zu werden; einer, der begreifen kann.

Ich, Catalin Dorian Florescu, zugegeben ein blumiger Name, aber einer der mich zur Literatur verpflichtete. Mutters sanfte Nötigung, als sie mir die beiden Vornamen gab, liess mir nichts übrig, als ihren Wunsch zu erfüllen und Schriftsteller zu werden. Denn beide, Catalin und Dorian, entstammen der Literatur. Catalin als Hofjunge im spätromantischen Gedicht des rumänischen Nationaldichters M. Eminescu. Nicht der ferne, in Liebe entbrannte Morgenstern kriegt die Prinzessin, sondern ein listiger Menschenjunge, Catalin eben.

Dorian wiederum altert nicht, auf ihn lastet der Fluch der ewigen Jugend. Oscar Wilde hat es geschrieben. Ich schlage vor, wie pinseln diese Märchen an die Wand der Trinkhalle, wir aktualisieren sie sozusagen, und nehmen auch noch das Wilhelm Tell-Märchen hinzu, das Schiller den Schweizer beschert hat. Dann hätten wir alles beisammen, den ganzen märchenhaften Hintergrund meiner Identität. Er würde hervorragend passen neben den Szenen aus den geheimnisvollen, grausigen Schwarzwaldmärchen, an denen ihr täglich vorbeizieht.

Ich stamme aus den versehrten urbanen Landschaften des Ostens, von dort, wo der schlechte Geschmack der Kommunisten gewütet hat. Wo man glückliche Proletarier in wabenartige Platten eingeschlossen hat und die Stadtzentren hat verfallen lassen. Meine Kindheit habe ich auf dem Asphalt um solch einer Platte verbracht und auf dem im Sommer aufgeweichten Teer des flachen Dachs. Wand an Wand mit 150 anderen Familien und mit mehreren Generationen von Kindern. Aber was für eine Gelegenheit, um Spielkameraden zu finden!

Der Westen war nur ein ferner Ruf und das meistens abends, wenn Vater Radio Freies Europa hörte und über den Diktator fluchte. Aus dem Westen kamen die Spielplatten von Queen und Pink Floyd, Spielzeug und Kaugummis. Das Paradies bestand aus Pink Floyd, Spielzeug und Kaugummis. Gott war einer, der Pink Floyd hörte, Modellflugzeuge aus den Revell -Katalogen bastelte und Kaugummis kaute. Dann kam die Flucht.

Das alles wirkt heute, wenn ich es wieder einmal besuche, armselig und geschrumpft, doch es ist konstitutiv für mich. Das alles bin ich. Und nicht nur der Mangel Rumäniens, sondern auch sein geistiger Reichtum, zu schnell geht dieser zweite Teil vergessen.

Ich lebe seit langer Zeit - viel zu lange? - in Zürich, in dieser schicken, unversehrten Stadt. Eine ruhige, sichere Idylle. Ein Baden-Baden im Grossen? Ganz ohne Therme aber mit dem See. Ich bin unauffällig, denn ich bin weiss und sittenkonform und - trotz meines kleinen Akzents - kann ich Chuchichäschtli auf Schwitzerdütsch sagen. Dieses Wort, das ein für allemal klärt, wer in der Schweiz dazu gehört und wer nicht. Ein Angekommener? Auch das, aber oft ein Zerrissener. Zürich und Timisoara, meine rumänischen Heimatstadt, Platte und Idylle, unzertrennlich, lebenslänglich. Wie zwei Flüssigkeiten, die sich vermengen und etwas anderes ergeben. Hier im Rebland: wie eine feine, kühlende Weinschorle.

Für die nächsten Monate nehme ich mir vor, tapfer, klug und herzlich zu sein. Erinnern sie sich an den wunderbaren Film Der Zauberer von Oz? Da sind der Zinnmann, der Strohmann und der Löwe unterwegs zum Zauberer und wünschen sich ein Herz, ein Hirn und Mut. So auch ich. Mut, um auch heikle Dinge anzusprechen und nicht gefällig zu werden. Hirn, um diese Dinge zu erkennen. Und Herz, um es voller Sympathie zu tun, denn schliesslich bin ich ja ihr Gast.

Damit aber das alles gelingt, bin ich auf sie angewiesen, liebe Badener. Zeigen sie mir ihre Stadt und ihre Region und erzählen sie mir ihre Geschichten. Verführen sie mich damit, verwöhnen sie mich, belügen sie mich. Der Geschichtensammler, der ich bin, wird es ihnen danken. Ausserdem werde ich jeden Dienstagabend – zuerst am 30. November – von 18 Uhr bis 20 Uhr in der Theaterkantine auf sie warten. Und, sollte es solche geben, die gerne schreiben, vielleicht stellen wir in diesen Monaten ein Schreibklub auf die Beine.

Ein letztes noch, gerichtet an all jene, die Literatur nicht als verstaubt sehen, sondern als funkelnd und diese Erfahrung der Schönheit mit anderen teilen wollen - an Schulen, Freundeskreisen, Buchhandlungen, Seniorenklubs, Lesegruppen, Kneipen, Kulturzentren, Casinos, Kursälen, Hotels etc. Die Karawane der Literatur ist in der Stadt, und ich bin ihre einzige Attraktion. Greift zu. In diesem Sinne, liebe Badener, willkommen bei mir!



Einer der Essays für die Thüringer Allgemeine, Sommer 2010

(geschrieben als Stadtschreiber von Erfurt)

Willy Brandt ans Fenster! Wenn man vor eurem Bahnhof steht, liebe Erfurter, sieht man ihn, den Satz. Wenn man ihn (noch) sehen will. Hoch oben über dem Dach des ehemaligen Erfurter Hofes, in dem sich heute Pizzerias und Nachtklubs eingemietet haben. Er schwebt über euren Köpfen wie eine Ermahnung, ein Fenster in die Vergangenheit, als dieser Platz, der heute so gedankenlos überquert wird, für etwas anderes stand. Als die grosse Geschichte hier Halt machte und der Kanzler, der Hoffnungsträger aus dem Westen, sich im Hotel aufhielt. Und die Erfurter sich von ihren Gefühlen übermannen liessen, die Angst vergassen – ein erstes und ein letztes Mal für zwei weitere Jahrzehnte -, den Platz stürmten und wie verzaubert riefen: Willy Brandt ans Fenster!

Und ihm, dem Hoffnungsträger, blieb nichts anderes übrig, als sich zu zeigen. Und den Staatsorganen nichts anderes, als es geschehen zu lassen. Man durfte träumen in euer Stadt, auch wenn bald einmal wieder nur im Stillen, versteckt unter den vielen und vielseitigen Gesichtern des Schweigens. Bis dann 1990 der andere Kanzler kam und einiges verprach. Doch Willy konnte nichts verprechen, seine Anwesenheit musste genügen. Er brauchte nur da zu sein. Sein Schweigen – überwältigt, vorsichtig - von damals kontrastiert so sehr mit dem Jubel der Masse.

Aber jener Satz, den man sogar noch aus dem Zug sieht, wäre tot, verstaubt und abgelegt auf den Regalen der Geschichte, wenn er nur in die Vergangenheit wiese. Er würde vielleicht noch daran erinnern, dass hier einmal grosse Gefühle, Visionen – auch wenn hinter vorgehaltener Hand – möglich waren. Doch er wirkt auf mich auch wie ein Schrei, ein Aufruf der Gegenwart. Als ob, ihr Erfurter, heute noch wieder und wieder nach ihm verlangen würdet: Willy, zeig dich endlich! Schau, was wir geworden sind, 20 Jahre nachdem sich unsere Träume erfüllt haben! Schau auf dein Erfurt, Willy, zeig dich ans Fenster! Jetzt! Als ob ihr euch weiterhin versichern wolltet, dass es ihn einst gab und noch gibt. Ihn, die Gefühle, die Träume. Was würde er aber heute sehen, wenn er wirklich ans Fenster käme? Willy, was siehst du?

Und was sehe ich, der seit zwei Wochen euer Stadtschreiber bin? Der vorläufig letzte, unbedeutendste Besucher in einer langen, illustren Liste: Napoleon, der russische Zar, Eulenspiegel, Faust, Goethe, Brandt, Kohl und jetzt auch ich: Catalin Dorian Florescu. Bestimmt aber der blumigste Name unter allen und einer der länger bleibt als bloss über Nacht. Ich wurde sehr gastfreundlich empfangen und fast mütterlich umsorgt. Ich streckte von Anfang an meine Fühler nach allen Seiten aus, um die Kontaktbereitschaft der Erfurter zu testen, und siehe da: die Erfurter antworteten. In zwei Wochen nur bin ich fast angekommen, weil so viele auf mich zukamen.

Willy, es lohnt sich hier zu verweilen, in dieser in der milden Frühlingsluft so lieblichen Stadt. Sich zu verlieren in den Strassen der Altstadt, ja, sie für Tage nicht zu verlassen, nur um dann nach Erfurt Nord, zum Roten Berg oder in das Rieth zu fahren, wo Strassen – getreu der sozialistischen Brüderschaft – Bukarester oder Budapester Strasse heissen oder Moskauer Platz. Nicht nur das Postkarten-Erfurt würdigen, Willy, sondern die ganze Stadt. Eine Stadt mit Widersprüchen, wie jeder Mensch.

Und wenn böse Zungen – bestimmt Weimarer oder Janaeer, wie denn sonst? – behaupten, sie hätten Erfurt einiges voraus, so kann es nur Neid sein, Willy. Sie wissen nichts über die Poesie in den Seelen der Erfurtern. Nichts wissen sie. Dass sich früher die ehrenwerten Bürger draussen vor der Stadt vor den Puffbohnenfeldern verbeugten, weil sie wussten, wem sie ihr Auskommen verdankten. Dass der Bürgermeister eines Ortsteils Hauptberuflich Clown ist. Clown, Willy, hörst du? Was ist poetischer als das? Dass ein anderer Bürgermeister – freilich kein Erfurter, aber nicht weit davon entfernt – für seine Schlaglöcher Paten sucht. Ich sehe sie schon, die stolzen Paten, wie sie sonntags ausschwärmen, um ihren Liebling zu umsorgen. Vielleicht mit viel Liebe im Schlagloch Blumen zu pflanzen. Und dass ein anderer Bürgermeister, der vor 500 Jahren geköpft wurde, am helllichten Tag und mit dem Kopf unter dem Arm über den Fischmarkt zieht. Sehen kann man ihn, Willy, so gut wie den Satz am Himmel über Erfurt. Dass Luther nur hier fast vom Blitz getroffen wurde. Gott traf Luther bei Erfurt nicht, damit er dann das wurde, was er wurde. Und die Welt mit ihm. Was wären die Welt, Deutschland, Erfurt geworden, wenn Luther wirklich vom Blitz getroffen worden wäre? Wir wollen es uns lieber nicht vorstellen, Willy.

Aber wenn einheimische Zungen – Erfurter diesmal – sich mehr Visionen wünschen, wenn sie manchmal nicht mehr bangen wollen, ob sie – die in der Kultur oder in sozialen Berufen tätig sind – nächstes Jahr noch da sind, ob sie der Rotstift nicht Stück für Stück für Stück wegstreicht, dann höre genau hin, Willy. Ebenso wenn die Politiker bangen, weil sie nicht mehr wissen, wo sie überhaupt noch den Rotstift ansetzen sollen.

Ich wünsche dir, solltest du wieder ans Fenster kommen, viel jubelndes Publikum. Viele, die an der Demokratie partizipieren wollen, sich und die Stadt nicht aufgeben. Ich wünsche dir ein Meer von Menschen, in einer Zeit, in der nur noch die Fensterauftritte der Michael Jacksons dieser Welt für Schlagzeilen sorgen. Ich wünsche dir viele Erfurter, die visionär leben wollen. Komm ans Fenster, auch wenn die Erfurter am 26. April vor dem Gutenberg Gymnasium weinen werden. Dann erst recht. Vielleicht aber kommst du hinunter und mischt dich unter den Leuten. Sie werden es dir danken. Die Erfurter!


Einer der Essays für Tages Anzeiger, Zürich

Zwingend zu bewohnen: Der Raum in mir

Der Arme kann sich Geschmack nicht leisten. Sein Geschmack ist die Notwendigkeit. Der Reiche kann sich Geschmack leisten, aber er verliert den Überblick über die Notwendigkeit. Der Arme schläft in einem Raum mit den Ausdünstungen der Familie, hat ein Blechdach über dem Kopf, und der Spielplatz seiner Kinder sind die ungepflasterte Strasse und die Abfallmulden. Der Reiche träumt von zweihundert Quadratmeter Wohnfläche, Garten und von der Freiheit, in einem möglichst grossen Raum seine Einsamkeit von anderen unbesehen und ungehört zu pflegen.

Andere Vorteile wären: nackt herumzulaufen, unverbaute Seesicht zu haben, laut Musik zu hören. Sich in beliebiger Lautstärke zu streiten oder anzuschweigen. Sich im eigenen Bastelraum einzuschliessen und sich zu verwirklichen zwischen den heutigen und den morgigen Überstunden. Auf Überstunden kann man nicht verzichten, schliesslich will der Raum, den man so gut wie besitzt, aber noch lebenslang abzahlen muss, gesichert werden. Also wird man seinen Arbeitsplatz nie riskieren. Von einer Überstunde zur nächsten bewohnt man den Raum, den man so gut wie besitzt, immer weniger. Aber Hauptsache, er ist da.


Was ist aber Raum? Wann ist Raum Raum genug? Gibt es ein Menschenrecht nach immer mehr Raum? Raum ist der Luxus, jeden Morgen eine möglichst weite Strecke vom Bett zum Bad zu gehen. Würde man eines Tages von der Matratze direkt in die Badewanne fallen, wäre man irgendwie unerfüllt. Es wäre zu wenig Leben. Leben ist erst, wenn genug Raum da ist, damit sich der Staub setzen kann. Dann weiss man mindestens, wozu man nach den Überstunden weiterschuftet. Für den eigenen Raum.

Der Raum ist ein bestimmtes Volumen Luft und einige Meter Erde, die abgetrennt sind von der Luft und der Erde des anderen. Man hat es zu etwas gebracht. Man hat sich Luft verschafft. In der Schweiz verschafft man sich Luft in Grössenordnung von fünfzig Quadratmetern pro Person. Wenn Viel-Raum-Haben ein Menschenrecht ist, dann ist der Rest der Welt eine Anomalie zur Schweiz. Die Ausnahme von der Regel, der Sonderfall, den es nicht geben sollte. Denn die meisten hocken aufeinander. Brasilianische Landlose besetzen auch nur deshalb Land, weil sie im Innersten Schweizer sein wollen. Man gibt ihnen einen Finger, aber sie werden die ganze Hand wollen.

Man fragt sich nur, wieso die Armen der Dritten Welt oder die Proleten Osteuropas, die kaum Raum zum Leben haben, nicht Amok laufen. Aber es scheint, dass der grosszügige Raum des Bürgertums der beste Nährboden für Amokläufe ist. Da verschafft sich immer wieder einer gründlich Luft.

 Vor kurzem erhielt ein Freund - Rumäne, Dichter, Chefredaktor und Moderator einer Literatursendung - ein Aufenthaltsstipendium in Österreich. Das Erste, was er mir schrieb, war: Ich habe 49 Quadratmeter zum Bewohnen. Und das für ein paar Gedichte, die ich in den zwei Monaten dort schreiben werde. Der Raum, den Gedichte einnehmen, war immer ein anderer als der reelle Raum. Und da hatten sich Gönner gefunden, die seinen Gedichten Raum zusprachen. So viel Raum wie der Schweizer sich als Wohnraum pro Person wünscht.

Das Zweite, was er schrieb, war die Höhe des Stipendiums: 700 Euro monatlich. Mehr als das Doppelte seines Monatslohns. Davon kann er in Rumänien auch die Wohnung möblieren, die er sich gekauft hat. Bitte keine voreiligen Schlussfolgerungen: Es ist eine Plattenbauwohnung. Viele Rumänen sind Besitzer solcher Wohnungen, die sie dem Staat billig abkauften, weil sie sonst auf der Strasse gestanden wären. Heute aber hat sogar solch eine Wohnung ihren stolzen Preis, sodass sogar ein angesehener Mann mit drei Berufen sie sich nur knapp leisten kann.

So gesehen, sind auch die Rumänen Eigenheimbesitzer mit bescheidenem Konsumpotenzial. Die Schweizer des Ostens. Ihre Sicht reicht leider nicht bis zum nächsten See, sondern bis zur erbärmlichen Wohnung auf der anderen Strassenseite. Aber auch sie streiten, mit nachbarlichem Anschluss. Überhaupt ist die Lautstärke in solcher Gemeinschaft von Wohnungsbesitzern ein Dauerthema. Man wäscht die schmutzige Wäsche praktisch gemeinsam. Ein Schweizer würde keinen Tag überleben: Es gäbe zu wenig Privacy. Aber es gibt auch Berührungspunkte: Der Rumäne, der Arme im Allgemeinen, ist ein ausgezeichneter Bastler. Er flickt, was er nur kann, in seiner Wohnung und an seinem Auto. Da gäbe es gemeinsame Tätigkeitsfelder.

Das Recht auf viel Raum, auf uneingeschränkten Privatbesitz ist der Trick, mit dem uns das System an sich bindet. So lange es uns beschäftigt mit Dingen, die wir leidenschaftlich entstauben, mähen, streichen, sammeln, kann es sicher sein, dass wir beruhigt sind. Hinter den Fassaden der Vorstadthäuser und der grosszügigen Lofts und trendigen Yuppie-Wohnungen sind wir stillgelegt. Der Selbstentwurf gelingt scheinbar mit jedem neuen Meter, den man besitzt, ohne ihn wirklich zu gebrauchen. Wer schon kommt auf den Gedanken, dass er in die Falle tappt?

Die Freizeit ist nicht da, um frei zu sein, sondern bloss, um sich von der Arbeit zu erholen. Erwachsene verhalten sich in der Freizeit gegenüber ihren Besitztümern wie Kinder, die mit Lego-Steinen ihre eigene Wirksamkeit und ihr Können prüfen. Bei Kindern ist das notwendig, bei Erwachsenen nur noch eine Scheinaktivität. Es nährt die Illusion, dass sie am Leben teilhaben. Aber sie haben nur so viel daran teil, wie der Arbeitgeber und die Bankschuld es zulassen.

Nun, der Bastelraum ist eine veraltete Vorstellung von Freizeitbeschäftigung. Da erschuf man mindestens noch ein Produkt, das man stolz den seinen zeigte. In den modischen Cafés und Bars wird man aber durch die tief liegenden Sofas direkt in die fötale Stellung befördert. Man saugt dort die Milch des Wohlstands. Solche Räume sind nicht Begegnungsräume, es geht nicht darum, in Kontakt zu treten, sondern bei passender Ambiente-Musik sanft einzuschlafen. Die ganze Spassindustrie zielt nur darauf: uns die Sinne zu rauben.

Leben aber ist körperliche Anspannung, ist Gestalten, ist Kampf um Werte und Ideale, ist Rebellion gegen alles, was tot macht noch vor dem Ableben. Wenn man nicht handelt, ist man tot. Leben ist, einen eigenen guten Geschmack zu entwickeln.

Der Arme kann sich aber guten Geschmack nicht leisten. Würde er vom Sozialamt eine Wohnung entsprechend seines Geschmacks verlangen und auch Geld für Möbel wünschen, die seinem Geschmack entsprechen, hielte man ihn für unverschämt. Er hat sich in den Geschmack einzufügen, den man für ihn vorgesehen hat: gesichtslose Wohnungen bei der Autobahn, den Bahngleisen oder an viel befahrenen Strassen. Der Arme hat zu nehmen, was ihm gegeben wird, und nicht seinen Geschmack zu kultivieren.

 Der Reiche aber lebt noch schlechter: Die Pseudofreiheit zwischen Automarke x und y oder Polstermöbel so oder so auszuwählen, ist die einzige, die ihm geblieben ist. Im Prinzip ist er immer zwischen x und y unterwegs. Rund um solche Koordinaten organisiert er sein Leben und vergisst seine Unfreiheit. Dem Armen wird täglich die Unfreiheit vor Augen geführt.

Aber es gibt etwas, was Arme und Reiche eint: der Fernseher. Er läuft in den Blechhütten und den Yuppie-Wohnungen Tag und Nacht. Darin ist das System demokratisch: Es verteilt sein mächtigstes Beruhigungsmittel auf alle.

Als ich aus Rumänien in die Schweiz kam, zogen meine Eltern und ich aus einer Zweizimmer-Plattenbauwohnung in ein einziges Zimmer einer Pension, dann in eine kleine Dreizimmerwohnung. Später zog ich in meine erste Wohngemeinschaft ein, zwölf Quadratmeter für mich ganz allein, heute sind es neunzehn. Das verspricht nichts Gutes in Sachen mustergültiger Schweizer Karriere. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich niemals Gras mähen oder Wände einreissen werde, um das Wohnzimmer oder die Küche zu vergrössern. Es war schmerzhaft, aber ich bin da hindurchgegangen. Es gibt einen einzigen Raum, den ich zwingend bewohnen muss, und der ist in mir drinnen. Und in ihm gibt es viel Poesie.


Dankesrede Anna Seghers-Preis

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sehen wir ab vom grossen schriftstellerischen Können von Anna Seghers. Von ihrem untrüglichen Gespür für dramaturgischem Aufbau, der uns um Georg Heislers Rettung in Das Siebte Kreuz bangen lässt. Von ihrem Verständnis für die Widersprüchlichkeit des Menschen, das die Fischer aus St. Barbara - lange bevor sie Angehörige einer Klasse, Ausgebeutete, Subproletariat sind - als Opfer aber gleichzeitig auch als Täter zeigt: roh, abgestumpft, widerwärtig. Erst das macht die Literatur jenseits der Übernahme platter Ideologie in die Kunst zu einer mehrdimensionalen Lektüre. Erst dann wird Literatur zu einer glitschigen Angelegenheit für jede ideologische Vereinnahmung. Der Text wird Widerstand leisten und wird sich nicht einordnen lassen.

Sehen wir weiter davon ab, dass die Seghers hervorragend schreibt: kurz, glasklar, geerdet, alles in allem ein filmisches, sinnliches Schreiben, das einen sofort in seinen Bann zieht. Wenn ich ihre Bücher lese, hat die Sprache eine klare Gestalt und ist gegenwärtig. Gleichzeitig, ohne dass das ein Widerspruch ist, wirkt sie transparent und die Dinge dahinter zeigen sich umso deutlicher.

Wenn ich schreibe, dann bemühe ich mich mit meinen Mitteln genau darum: gegenwärtig zu sein und transparent. Meine Muttersprache, Rumänisch, ufert aus, verliert sich in Metaphern, Assoziationen und Verspieltheiten, sie ist launisch und sprunghaft, wunderschön für Verliebte und Poeten. Es war keine bewusste Entscheidung auf deutsch anders zu schreiben: knapp, lakonisch, pointiert, mich zu disziplinieren und die Eigenarten des Rumänischen nur kontrolliert und tröpfchenweise zu übernehmen. Fehlen dürfen sie jedoch nicht, und es ist mir ein liebes Kompliment, wenn man meinem Schreiben die Latinität anmerkt.

Es war eher ein Instinkt für das, was wirksam ist. Der Instinkt von einem der mehr durch  Filme als durch Bücher gegangen ist und seinen Verstand für die Magie des Wortes an der Magie der Bilder geschärft hat. Denn ich schreibe oft so, als ob ich eine Filmkamera in der Hand hielte. Im Prinzip bin ich dabei, Filme zu drehen, nur billiger als die auf Leinwand. Dass ich ins Deutsche eingewandert bin, kommt mir zur Hilfe, denn dadurch entsteht die optimale Nähe – um nicht Distanz zu sagen – zu dieser Sprache. Staunend wie ein Kleinkind mit seinem Spielzeug drehe ich sie auf alle Seiten und prüfe, wie man sie auch anders zusammensetzten kann. Das ist gut für mich, es verjüngt mein Schreiben, weitere solcher Impulse wären aber für die deutsche Literatur nötig, denn zu oft wird sie grimmig, verkopft, abstrakt betrieben und entfernt sich vom Sinnlichen, Unmittelbaren, Lustvollen und Kindlichen. Seghers schreibt so, dass man mit ihr mitten im Geschehen steht. Deshalb fühle ich mich bei ihr gut aufgehoben.

Sehen wir von all dem vorerst ab, ohne aber zu vergessen, wie wichtig auch schon durch diese Befunde Anna Seghers für uns junge Schriftsteller wäre. Denn leider gewinnt heutzutage oft die Pose, und derjenige, der sie als Verkaufsartikel entdeckt hat, bleibt gerne dabei. Die Magie des Wortes, die intensive, sinnliche, nah am Geschehen sich entfaltende Erzählung, sollte man der Pose entgegenstellen.

Und wie steht es mit der Magie des Inhalts? Denn es ist vor allem der literarische Inhalt, der mir an dieser Stelle wichtig ist.

Wir wissen es: Anna Seghers mangelte es nicht an wichtigen Stoffen. Krieg, Diktatur, Angst, Exil, Entwurzelung. Ihr fielen die Inhalte in den Schoß so wie allen Künstlern in Zeiten dramatischer Ereignisse. Aber so einfach ist es nicht: Man muß sich selbst in solchen Zeiten  den Stoff erarbeiten, mit ihm ringen, wach sein für seine Anwesenheit, auch wenn er inzwischen leiser geworden ist. Die Stoffe sind aber – heute wie damals – da, unter uns, sie warten darauf, gehoben zu werden. Man muss nur horchen. 

Doch was bleibt wirklich zu sagen und zu tun übrig, was künstlerisch zu gestalten, nachdem wir den Wohlstand – den relativen – geschaffen haben? Wo sind unsere Schlachtfelder? Wo sind unser Bangen, wo unsere unbedingte Leidenschaft, unser massloses Aufbegehren – masslos nicht massvoll, denn die Disziplinierung kommt früh genug -, unsere Rebellion, unsere enttäuschten Hoffnungen, unser Exil, unsere Flucht? Auf wie viel Sicherheit und Wohlstand, auf wie viel Erfolg sind wir bereit zu verzichten, um wieder wirksam und energisch zu werden? Wir, die Gesättigten. Wann sind wir bereit, die Lethargie zu verlassen, auszuschwärmen und das zu sein, was Schriftsteller angeblich ausmacht: sensible Fühler für das prachtvolle Leben und das geschundene Leben? Wann geben wir die narzisstische Nabelschau auf? Oder wie ich im Roman Der kurze Weg nach Hause schrieb: Was für Entscheidungen muss man treffen, damit das Leben beginnt?

Für meinen Vater gestaltete sich als junger Mann die Welt einfach: Hier stand er, und dort standen die Kommunisten. Mit drei Brötchen am Tag und einem dünnen Anzug musste er überleben, und er hat überlebt. Er ist heute ein alter Mann, aber seine Sinne sind jung geblieben. Wenn ich ihm zuhöre oder anderen Alten, Armen, Entwurzelten, einfachen Menschen, dann funkeln Perlen in ihren Geschichten. 

Ich hingegen kenne den Mangel nicht und den Verlust nur wenig, nämlich als Bruch, der entstand, als ich über Nacht aus meiner ersten Heimat, Rumänien, in meine zweite Heimat, die Schweiz, von den Eltern gebracht wurde. Ich lebe satt und ich lebe gut. „Mit drei Brötchen am Tag würde ich verhungern“, lasse ich im selben Roman den Protagonisten seinem Vater erklären. Bisher ist für mich alles gutgegangen. Aus dem reichen Fundus an Geschichten meiner ersten Heimat - den sie mit Armut und Rückständigkeit bezahlt – machte ich Literatur. Manchmal frage ich mich: „Wann landest auch du beim Banalen?“ Und ich weiss, dass ich beim Banalen auch dann lande, wenn ich nur noch diesen Fundus benutze. 

Aber mir ist die menschliche Existenz als solche zu wichtig, als dass ich ihr immer die gleichen abgetragenen Kleider anzöge. Deshalb möchte ich in meinem dritten Roman eine Richtungsänderung vollziehen. Nicht mehr Ost-West, sondern Nord-Süd. Keine osteuropäischen Schicksale mehr, sondern mittel- und südeuropäische, schweizerische und italienische. Das Reisen hingegen – wie in den ersten beiden Romanen – muss weiterhin sein; es scheint, dass meine Helden mit mir eines gemeinsam haben: Sie sind an keinem konkreten Ort zu Hause sondern in der Lücke dazwischen.

Muss man aber dauernd reisen, im Exil leben, um sein Leben fürchten, arm werden, um etwas Relevantes zu sagen? Nein, aber Fragen soll man sich stellen. Habe ich wirklich etwas zu sagen? Wenn ja, dann tue man es unbedingt und substantiell. Man setze auf die gründliche Recherche, auf das offene Ohr und die Neugierde für die Umwelt. Man entwickle und verfeinere einen Sinn für interessante, ja notwendige Inhalte und eine Sprache, die auf der Höhe dieser Inhalte ist. Das ist auch mein Ziel, und ich halte es für ein Gegenmittel gegen die narzisstische Nabelschau.

Die innere Einstellung prägt also die Intensität mit der man etwas tut, in unserem Fall schreiben. Die äusseren Bedingungen geben der Kreativität eine Richtung. Manchmal wünsche ich den Schweizern die Armut und bastle mir so aus diesem Land eine mir bekanntere Heimat. Eine aber, in der den Künstler die Themen niemals ausgehen.  Ich stelle mir rostige Industrieanlagen, Häuser voller Unrat und Ratten, vernachlässigte Kühe und Schlangen von Menschen vor Brotläden oder Tankstellen vor. Die Menschen tragen dann nicht polnische, russische oder rumänische Namen, sondern heissen Ueli Maurer oder Christoph Mörgeli. Christoph Blocher, diesen helvetischen Industriellen und Populisten, mit der Einkaufstasche losziehen lassen, auf der Suche nach Kaffee, Gurken und Kartoffeln - das wäre was. Bin ich böse oder zu hart mit meiner zweiten Heimat? Vielleicht. Doch während Dürrenmatt sich radikal das Ende der Schweiz vorstellte, bin ich bescheidener: Ich stelle mir bloss eine andere Schweiz vor. Fühlen Sie sich hier in Deutschland nicht sicher: Es könnte auch Sie treffen.

In der Armut und in der Diktatur entstehen Mut, Phantasie, Humor, Ironie und Erfindungsgabe. Nicht umsonst verehren wir südamerikanische Literatur oder Filme. Ich will aber nichts beschönigen: Die schrecklichsten Formen der Lüge, Furcht, Manipulation und Maskenhaftigkeit erblühen ebenfalls. Im Wohlstand und in den kapitalistischen Demokratien gibt es unermessliche Chancen: Man kann sich nach vielen Seiten entfalten und Person werden. Die Maske aber - eine andere Art von Maske freilich -, legt sich sanft auf unser Gesicht  im Namen der Karriere, des Erfolgs, der Optimierung der eigenen Persönlichkeit.

Die Geschichten sind unter uns, in Berlin, Zürich, Wien, man muss nur richtig fragen und richtig zuhören. Sie sind anders unter uns als zu Zeiten von Anna Seghers; man muss sie jetzt suchen, geduldig sein und sie an die Oberfläche bringen. Dazu aber muss man mutig werden und aufbegehren, unzufrieden werden, Kind und Grossvater in einem, Verführer und Verführter. Und ein ganzer Mensch. Wenn wir nicht nur "Nichts als Gespenster" produzieren wollen, müssen wir das Gespensterhafte abstreifen. „Dann wird die Geschichte gut ausgehen“, sagt der kleine Alin in einem anderen Zusammenhang in meinem Erstling Wunderzeit. Er meint die Reise zusammen mit seinem Vater ins Ungewisse, von Rumänien über Rom nach Amerika, das Land der Träume, auch der enttäuschten. Doch das zu erzählen, wäre wirklich eine andere Geschichte.


Maturitätsrede an der Kantonsschule Enge, September 2004 - oder wie Cioran sagt: "Leben heisst sich mindern"

Meine Damen und Herren, liebe Maturanden und Maturandinnen, liebe Eltern und Lehrer

Es ist ein Augenblick des Glücks. Das gilt zu feiern und zu würdigen.

Sie, liebe Eltern, die ihre Kinder vom Geburtsschmerz bis zum Kopfschmerz über ihr Musik- und Kleidergeschmack begleitet haben, dürfen jetzt aufatmen: sie haben es geschafft.

Haben ihre Kinder manchmal getrotzt, ihnen Rätsel gegeben, Ihnen vorgeworfen, Sie würden sie nicht verstehen, haben sie rebelliert oder im Gegenteil sich angepasst und sind zu wenig aus sich heraus gekommen? Waren sie pflegeleicht, eine Spur zu still oder zu laut, eine Spur zu unsicher oder zu voll von sich? Haben Sie erlebt, wie sie sich verliebten, die Suppe versalzten nur um wenige Tage später wieder tot unglücklich zu sein?

Alles halb so schlimm: sie waren nur einen Sprung entfernt von der Kindheit. Jetzt aber haben sie einen grossen Sprung nach vorne gemacht: sie haben sich bewährt. Das löst noch nicht alle Probleme ihres Alters, aber man darf hoffen, dass es gut ausgehen wird. Die erste Hürde ist genommen. Doch was nun bevorsteht, ist ein hartes Stück Leben. Die Bewährung hierfür steht noch bevor.

Umso kostbarer ist dieser Augenblick der Ruhe. Wir werden ihn auskosten wie ... nun, wie einen guten Joint. Aber das gehört ja nicht hierhin, das tun nur die anderen, nicht eure Kinder, nicht wahr? Eure Kinder kennen nur das unbefleckte Dasein, nicht wahr? Fragt sie, sie werden es bestimmt bestätigen. Wie oft täuschen sich die Eltern? Wie oft müssen sie sich täuschen, damit die Kinder Freiräume haben. Im Allgemeinen aber, für euch alle hier, gibt es berechtigten Grund, auf Glück zu hoffen.

Sie, liebe Lehrer, die ihr die Schüler vor vier, fünf Jahren übernommen habt, ohne dass sie es sich ausgesucht haben, so wie man sich euch nicht aussuchen konnte, dürft auch aufatmen: sie sind weg. Jene, die Ihnen weisse Haare wachsen liessen oder zum totalen Haarverlust führten, wie auch jene, auf die sie stolz sind, weil sie ein Stück von Ihnen mitnehmen und in die Welt tragen. Es hat sich gelohnt.

Gerade in der heutigen Zeit, in der der Lehrerberuf kein Zuckerschlecken ist, dürfen sie sich freuen, weil es sich immer noch lohnt. Es lohnt sich morgens aufzustehen und den gesellschaftlichen Auftrag an sie zu erfüllen. Auch wenn dieser Auftrag nicht vorsieht, dass man oft in gleichgültige, gelangweilte, übermutige Pickelgesichter hineinschaut. Aber diese Gesichter werden sich ändern, werden reifen, lebendig werden, werden in die Gesichter der eigenen Kinder schauen, werden forschen, Firmen leiten, Aufgaben übernehmen, Gedichte schreiben, wenn sie es nicht schon tun.

Wer hätte vor fünfzehn Jahren geglaubt, dass ausgerechnet ich, eine fette Null im Deutsch, Schweizer Schriftsteller werden würde? Nicht einmal ich, nicht einmal als ich meine ersten linkischen Gedichte schrieb, hier in diesem Haus. Eine Kostprobe gefällig? Sie dürfen ruhig schmunzeln.

 Ich

Ich weiss jetzt endlich, was ich will
Und wonach Ich mich immer sehne
Es ist des Wesens wahres Ich,
Es ist ein Traum, es ist Hymäre.


Liebe ist

Liebe ist, wenn ich dich spüre
Und die Lippen dir berühre.
Liebe ist auch deine Hand
Zärtlich über meine Augen wandernd,
Mich des Atems kurz beraubend,
Nach der Seelenruhe greifend,
Liebe ist ein süsser Tand.

Vagabund werd ich jetzt sein,
Keine Bleibe wird je mein,
Da ich deiner Hand Berührung kenne.
Auf der Suche mich begebend,

Mich nach Zärtlichkeit stets sehnend
Und das Elend still erlebend,
Bis ich an des Feuers Flamme brenne.

Liebe ist ein süsser Tand,
Liebe ist auch deine Hand,
Liebe ist, wenn ich dich spüre
Und die Lippen dir berühre.


Entkommen

Wenn stets am selben Orte
Dein Leben dahingeht,
Lass flüchten deine Träume,
Erkenne ihren Wert.

Viel weiter werd`n sie fliegen,
Als du es jemals könntest
Und dich auf ihren Wellen bringen,
Wohin du sehnlichst möchtest.

​Sie erkennen darin den Teenager, der ich mal war. Den sehnenden, unglücklichen, suchenden junge Mann. Hier nahm alles seinen Anfang, so wie auch bei mancher der anwesenden Schüler hier etwas seinen Anfang genommen hat. Ganz bestimmt, auch wenn man es noch nicht weiss. Irgendwann kommt man zurück und erzählt es seinen Lehrern. Ich bin froh, dass noch drei oder vier meiner Lehrer hier sind, dass ich sie in Zürich treffe und dass sie sehen, was ich geworden bin. Auch wenn es manchmal noch hapert mit dem Du. Als ob ich, ein erwachsener Mann, immer noch ihr Schüler wäre.

Ich bin also in die Welt gegangen und tat mein Bestes. Und mein Bestes war bisher mehr recht als schlecht, will ich hoffen. Es gibt Grund zur Hoffnung, dass auch diese Jugendlichen sich anstrengen werden. Denn Anstrengung wird es kosten, das Leben zum Nulltarif kriegt keiner. Ein grosser französischer Philosoph rumänischer Abstammung, Emil Cioran, schrieb: Leben heisst sich mindern. Cioran ist mein liebster Pessimist.

Leben heisst sich mindern. Ihr, Lehrer, habt bisher dazu beigetragen, dass die Welt der Schüler reicher wurde, auch wenn diese manchmal es nicht so sahen, weil die verdammten Aufgaben da waren, während draussen ein grossartiger Tag dazu einlud, jung, zerstreut, abenteuerlich zu sein. Weil man sich als siebzehn, achtzehnjähriger Schüler wahrlich nicht in den Schulzimmern verwirklicht fühlt. Eher auf dem Fussballfeld, am Seeufer, an einem Rockkonzert oder in den Armen des ersten, zweiten oder dritten Freundes.

Aber auch ihr, Lehrern, dürft zufrieden sein. Es ist auch euer Tag. Wenn ihr nicht schon kapituliert habt, wenn ihr nicht schon zynisch geworden seid, wenn ihr nicht schon zugemacht habt, wenn ihr euch auch nur ein bisschen an den Funken eurer Jugend erinnert, an eure Ideale als junge Lehrer, als Anfänger, damals, wenn ihr nicht verkrustet seid von einem Lehrerleben, das abnützt, dann kann euer Herz jetzt aufgehen. Ein Kreis schliesst sich, und es war kein Teufelskreis, auch wenn es manchmal danach aussah. Und ein neuer Kreis wird sich öffnen, neue Pickelgesichter, neuer Übermut, neue Forscher und Poeten, neue Mütter und Väter und bestimmt auch neue Lehrer.

Und ihr, liebe Schüler und Schülerinnen? Wie geht es euch jetzt? Seid ihr stolz auf das Erreichte? Ihr habt Grund stolz zu sein. Habt ihr Angst, vor dem was ansteht? Ihr habt Grund Angst zu haben, aber ohne euch zu sehr zu beängstigen. Kennt ihr den Film Lost in Translation? Eine junge Frau und ein alternder Mann lernen sich in Tokio kennen und verbringen kurze Zeit zusammen. Beide stecken in der Sackgasse, beide sind ratlos darüber, was in ihrem Leben noch kommen soll. Sie sagt. I`m stucked, ich stecke fest, und fragt ihn: Does it get easier? Ein einziger Satz und wir wissen, worum es geht. Es geht um das leuchtende und doch oft in den Dreck gezogene Leben nach der Jugend. Er anwortet: No. Danach beschwichtigt er: Yes. In einigen Jahrzehnten werdet ihr vielleicht eine Antwort finden, vorläufig muss es beim Fragen bleiben.

Liebe Schüler, es liegt an euch, Cioran zu widersprechen. Zu widersprechen, dass zu leben sich zu mindern bedeutet. Für Schönheit zu sorgen in eurem Leben und dafür, dass andere sich durch euch als schön erkennen. Macht euer Leben zum Ereignis, es wird noch früh genug abflachen. Wenn ihr dann nach Jahren aufwacht und euch sagen müsst: Ich habe die grösste Sünde begangen, ich bin unglücklich geworden, denn mein Leben war unter meinen Möglichkeiten, dann hat Cioran Recht behalten.

Das Unglück schleicht sich in unser Leben ein, breitet sich aus, klammert sich fest. Und so müssen wir an einem solchen Tag des Glücks auch übers Unglück reden, als die andere Seite der Medaille. Glück und Unglück kriegt man im Leben eng zusammengeschnürt, in Doppelpackung, sosehr uns das System, in dem wir leben, vorgaukelt, dass das ewige Glück schon im Diesseits zu haben sei. Man braucht sich nur etwas anzustrengen, dafür zu sorgen, dass man stromlinienförmig wird, dass man sein Leben zu einer einzigen Überstunde macht – darin sind wir Schweizer Weltmeister, im Überstunden machen, wahre Arbeitstiere – und dass man konsumiert. Aber wir konsumieren ja schon genug, mehr als das schafft doch keiner. Wenn es einen Konsumgen gäbe, wäre die Wirtschaft die erste, die in dessen Erforschung investierte.

Ihr Jungen wisst, wovon ich spreche, denn das glatte, schwerelose, konsumreiche Leben fängt ja immer früher an. Ihr seid eine wahre Goldgrube für die Industrie. Das Recht auf Natels fordert ihr schon mit fünfzehn ein, das Recht auf Markenklamotten noch früher. Die Pillen an den Parties sind nur eine Generalprobe für die Pillen später, um das stressreiche Leben zu bestehen. Glaubt mir, ich fühle mich uralt, wenn ich so zu euch rede, ein Opa. Dabei bin ich erst 37, bis vor kurzem ging ich regelmässig in Discos und der Tod war ein fernes, unwirkliches Ereignis. Wenn man jung ist, ist das Leben unendlich, man hat keinen Grund anzunehmen, dass man irgendwann auf sein Leben zurückblicken wird, in Zorn oder mit Enttäuschung.

Sehr ihr, das wahre Unglück unserer Gesellschaft sind nicht Verzweiflung, Armut, Hunger, Ausbeutung, Unterdrückung. Gäbe es so etwas, müsste man dagegen ankämpfen und man wüsste mindestens: ich bin am Leben. Das wahre Unglück ist die Aushöhlung des Lebens durch ein perfekt geöltes System, dem wir uns willfährig anpassen. Denn es verspricht Grossartiges: Karriere, Haus, Urlaub an den schönsten Stränden. Es benützt uns aber für den Mehrwert, für die Vermehrung des  Reichtums. Es plant unser Leben von der Wiege bis zur Bahre, es macht unsere Freizeit zur blossen Erholung von der Arbeit. Nein, nicht ES. Wir, ich, du machen das mit uns selbst. Wir ziehen den Kopf ein, wenn die Firma mit Entlassungen droht und schrauben unser Rhythmus höher, wir stellen unsere Wünsche, unsere Müdigkeit zuhinterst, um ein Stück attraktiver auf dem Arbeitsmarkt zu sein. Ein Stück sicherer über unser materielles Überleben. Aber war da nicht noch etwas anderes?

Das ist oft das Unglück: dass wir uns zu spät erinnern, dass da noch etwas anderes war. Man zeigt uns das Glück, lässt uns glauben, dass wir es erreichen können und schon entzieht man es uns. Inzwischen aber wandern wir atemlos umher von einer Karriereplanung zur anderen, von einem bemühten Vergnügen zum nächsten. Wir spüren nichts mehr, weder Leben noch Unleben, weder Glück noch Unglück, höchstens Müdigkeit und Langweile.

Liebe Schüler, ich sage das alles nicht, weil ich glaube, dass sich diese Art von Unglück vermeiden lässt. Auch ihr werdet in die Falle tappen, seid schon hineingetappt womöglich. Darin wahrlich sitzen wir alle im gleichen Boot. Aber man muss versuchen, sich zu entziehen, sosehr die Falle verspricht: Verkaufe mir deine Seele, und du wirst unendliches Glück erleben. Es wird nicht gelingen, solange wir korrumpierbar bleiben. Solange wir immer mehr wollen, gefrässig wie Termiten. Denn in jedem Augenblick, in welchem wir krankhaft mehr wollen, mindern wir uns. Cioran lässt grüssen.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass allzu viele unter euch, diesem Immer-Mehr widerstehen wollen. Aber solche Illusionen müssen denkbar bleiben, sonst sind wir verloren. Es gab Zeiten, da gingen viele in eurem Alter, vielleicht sogar eure Eltern auf die Strasse, ja, auch in Zürich, in dieser inzwischen so reichen und überfetteten Stadt, sie gingen also auf die Strasse für politische Ideale. Ja, es gab glorreiche Jahre, Ende der Sechziger und Anfang der Achtziger. Die Jugendunruhen. Man pflegte die Illusion, vieles ging schief, einiges aber wurde umgesetzt.  Heute aber geht man auf die Strasse, nur noch um die innere Unruhe zu pflegen. Eine Unruhe, die keinen Inhalt mehr hat und die sich damit begnügt, geschwätzig die Bars zu wechseln.

Ich schrieb einmal in einem Text: Die Schweiz ist eine Landschaft der Ruhe, in der ich zur Unruhe fand. Wir führen ein gutes Leben hier, aber irgendetwas läuft trotzdem schief. Im Kommunismus, wo ich aufgewachsen bin, konnte man sagen: der Kommunismus ist schuld. In der Dritten Welt kann man sagen: der Reiche ist schuld. Aber bei uns? Wer ist bei uns Schuld an dieser Ratlosigkeit? Es gibt keinen äusseren Feind, den der Feind sind wir. Er sitzt in uns.

Hier stürzen keine Wolkenkratzer ein, hier fallen keine durch Bomben explodierenden Flugzeuge vom Himmel, hier werden keine Schulen von Terroristen besetzt, hier hat die Mutterbrust genug Milch, hier stirbt keiner an Cholera. Ein fast perfektes Leben bei 3, 5 Prozent Arbeitslosigkeit. Wenn nur nicht diese Ahnung wäre, dass wir in Watte verpackt sanft entschlafen, während dort draussen, in der Welt, Stürme toben.

Ihr, liebe Schüler und Schülerinnen, habt es durch eure Jugend noch in der eigenen Hand. Noch seid ihr nicht in allzu vielen Teufelskreisen eingestiegen. Noch ist euer Leben nicht nur eine einzige Verpflichtung. Noch seid ihr nur wenig erpressbar. Noch seid ihr Vieles. Ihr könnt euch entscheiden, immer mehr zu wollen und euch so mindern. Ihr könnt euch aber auch für etwas anderes entscheiden, einen wirklich eigenen Weg. Es gibt kein Rezept dafür: Manche nennen es Bescheidenheit, Langsamkeit, Empörung, Wachheit, Gerechtigkeitssinn, Menschenliebe, Glaube, bei sich sein, sich spüren, kreativ sein. Ihr habt es in der Hand, den Namen zu finden, der zu euch am Besten passt, jetzt, hier, oder nach und nach.

Heute ist ein Tag des Stolzes. Ihr dürft strahlen, euch umarmen und euch im Glück fühlen. Für alles andere was folgt, rechnet auch mit dem Unglück. Es zu erkennen, es zu bekämpfen, wenn es wie vielerorts auf der Welt ungerecht ist aber auch wenn es schleichend und schmeichelnd kommt wie bei uns, doch wenn es unabwendbar ist, es anzunehmen und es durchzustehen. So dass keiner am Schluss sagen muss: Mein Leben hiess mich mindern.

Danke schön.